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Empathische Feedbackkultur in Teamkontexten

Nicola Grote
3.1.2024
9 min
Verbales Feedback ist ein essenzieller Bestandteil jeder zwischenmenschlichen Interaktion und ein mächtiges Werkzeug in der Arbeitswelt. Es ermöglicht uns, unser Verhalten zu reflektieren und aus den Rückmeldungen anderer zu lernen. Es ist ein fortwährender Prozess, der schon in der Kindheit beginnt und sich über das ganze Leben erstreckt. Bereits im Kindesalter lernen wir durch einfache Anweisungen wie "Berühre nicht die heiße Herdplatte!" und werden durch Lob wie "Das hast du gut gemacht!" bestärkt. Im Berufsleben sind es dann Leistungsbeurteilungen und Feedbackgespräche, die uns zeigen, wo wir stehen und wohin wir uns weiterentwickeln können.

Empathische Feedbackkultur in Teamkontexten

Mehr als nur die Sandwich-Methode.

Die Kunst und Herausforderung des Feedbackgebens

Obwohl die meisten von uns täglich auf irgendeine Weise Feedback geben und erhalten, stellt dessen effektive Kommunikation oft eine Herausforderung dar. Als BeraterInnen beobachten wir in der Praxis regelmäßig, dass besonders innerhalb von eng kollaborierenden Teams Unsicherheiten bestehen, wie Feedback angemessen vermittelt werden kann. Nicht selten besteht die Angst, dass positiv beabsichtigte, aber unsorgfältig ausgesprochene und misinterpretierte Rückmeldungen mehr Schaden als Nutzen bringen und damit zur Steigerung des Eskalationspotentials beitragen können.

Ein Instrument für gemeinsames Wachstum

Michael Cyankiewicz, Managing Consultant bei Young Digitals, hebt hervor, dass effektives Feedback bestimmten Grundprinzipien folgen sollte:

  • Feedback bezieht sich auf Verhaltensweisen, nicht auf die Person.
  • Feedback ist subjektiv und repräsentiert keine objektive Wahrheit.
  • Vertrauen erleichtert einen konstruktiven Austausch.
  • Feedback erfolgt strukturiert, etwa aufbauend auf Beobachtung, Bewertung und konkreten Bitten. 
  • Feedback wird von einer potenziellen Weiterentwicklung der anderen Person (GesprächspartnerIn) motiviert. Dies bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf den Kommunikationszeitpunkt.

Wird der Großteil dieser genannten Prinzipien beachtet, kann sich die bloße Feedbackkommunikation hin zu einer vom gesamten Team oder gar dem Unternehmen gelebten Feedbackkultur entwickeln. In dieser stehen dann das gemeinsame Lernen und Erforschen anderer Perspektiven im Vordergrund statt einfacher Beurteilungen und die damit zusammenhängende Einordnung in “richtig” und “falsch”. 

In vielen Teams wird Feedback nur sporadisch gegeben – zu oft erst in offiziellen Leistungsbeurteilungen, in denen der Fokus auf der Bewertung durch Vorgesetzte liegt. Michael Cyankiewicz betont, dass es wichtig sei, Feedback als einen kontinuierlichen Dialog zu betrachten, der nicht nur auf formellen Gesprächen basiert. Viel mehr müsse er als eine laufende, konstruktive Unterhaltung im Team integriert werden.

Feedback als Entwicklungsinstrument – Wer sollte  Feedback geben?

Tendenziell haben Führungskräfte viele Erfahrungen im Bereich Feedbackkultur aufgrund von Inhalten klassischer “Führungskräfte-Coachings”. Wichtig ist jedoch: Die Formulierung und die Priorisierung von feedbackkulturellen Themen ist in jeglicher Teamarbeit und für jede Position wichtig. Erst auf dieser Basis kann sich das Potenzial einer Gruppe von kollaborierenden Personen richtig entfalten. Wenn zum Beispiel Feedbackmöglichkeiten in situativ günstigen bzw. angebrachten Momenten nicht genutzt werden (egal ob positiv oder negativ), nimmt man der betreffenden Person die Chance an geäußerter Kritik zu wachsen. 

Um Feedback konstruktiv zu nutzen, ist es demnach essentiell, es als Instrument zur gemeinsamen Entwicklung und Verbesserung zu verstehen – nicht als bloße Kritik “von oben”. Feedback sollte ein aktiver Bestandteil der Unternehmenskultur sein, in der jede und jeder sich sicher fühlt, ehrlich und offen zu kommunizieren.

Feedback richtig timen – Der Schlüssel zur Effektivität

Grundsätzlich ist Feedback besonders wirkungsvoll, wenn es zeitnah, also etwa direkt im Anschluss an eine Beobachtung erfolgt. Das ist jedoch a) nicht immer möglich und b) auch nicht in jeder Situation sinnvoll, da es sich bei bestimmtem Verhalten nicht immer um eine Systematik, sondern auch mal um einen 'Ausrutscher' handeln kann. Der Kontext erfordert ein angepasstes Vorgehen, um den größtmöglichen Nutzen zu gewährleisten. Zwischen Teammitgliedern gehen die Vorstellungen davon, wie Feedback gegeben werden sollte, häufig auseinander. Deshalb empfehlen wir, unterschiedliche Präferenzen und Ansätze in Kollektiv- und/oder Einzelgesprächen herauszufinden, um Missverständnisse zu vermeiden.  

Aufbau und Dosierung des Feedbacks

Prinzipiell sollte man nicht versuchen, eine bloße Liste von Rückmeldungen loszuwerden, sondern dosiert zu ‘feedbacken’. In einer Situation, in der es mehrere Themen anzusprechen gibt, sollte zunächst das Thema gewählt werden, welches für die andere Person den größten Mehrwert bringt.  Diese priorisierte Rangfolge sorgt dafür, dass die beiden Positionen leichter zu einem klaren Einverständnis über die Form des Austausches kommen. Deshalb hilft es häufig auch darüber zu sprechen, wie man sich Feedback wünscht, ohne ein konkretes Feedback parat zu haben (vgl. Metaebene: Kommunikation über Kommunikation).  

Persönliches Feedback als Balance-Akt

Feedbackszenarien werden von der Beziehung zwischen FeedbackgeberIn und -empfängerIn geprägt. Während es oft als einfacher empfunden wird, Kritik aus einer gewissen Distanz oder sogar anonym zu äußern, birgt persönliches Feedback ein größeres Potenzial für die Entfaltung seiner Wirkung. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass direkte Rückmeldungen intensiver wahrgenommen werden, wenngleich sie mit höheren emotionalen Kosten und Risiken verbunden sind. Für die Person, die das Feedback gibt, bedeutet dies einen größeren Aufwand, da sie sorgfältig überlegen muss, wie ihre Worte aufgenommen werden könnten. Für den Empfänger ist es emotional aufwändiger, da persönliches Feedback oft tiefgreifender wirkt. Hierbei steht man vor einem Balance-Akt: Einerseits das Risiko und den Aufwand gegenüber dem potenziellen Effekt abzuwägen, andererseits die Notwendigkeit zu erkennen, dass effektives Feedback – sei es in Einzel- oder Gruppensituationen – essenziell für die kontinuierliche Verbesserung einer Zusammenarbeit ist. Der Schlüssel liegt in einer respektvollen Kommunikation, unabhängig davon, ob das Feedback direkt oder indirekt, persönlich oder anonym übermittelt wird.

Theoretischer Hintergrund

Feedback umfasst negative und positive Kritik. Je nach Methode ist die Gewichtung und Anordnung dessen sogar in einer bestimmten Reihenfolge angedacht. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte Sandwich Methode, welche darauf basiert, dass negative Kritik immer von zwei positiven Rückmeldungen (“Sandwich Brote”) umschlossen wird: positiv - negativ - positiv. Diese Methode ist zwar sowohl bekannt, als auch sehr beliebt, da sie leicht anzuwenden ist und aufgrund der positiven Kommentare häufiger auf “offene Ohren” auf der Feedback-Empfänger Seite trifft. Sie wird häufig in Performance-Gesprächen verwendet und soll bewirken, dass eine Person durch das Feedback im Zweifel nicht entmutigt wird. Zu betonen ist hier jedoch, dass diese Methode nichts über die Qualität des Inhaltes aussagt. Sie hilft lediglich dabei, das Gesagte in einen leicht-verdaulichen Kontext zu wickeln. 

Im Gegensatz dazu gibt es zahlreiche fundierte Ansätze aus der Kommunikationswissenschaft, welche sich, bei korrekter Anwendung, auch auf die Qualität des Feedbacks auswirken. Unterschiedliche Kommunikationsmodelle schaffen Verständnis für die Hintergründe und Abläufe von verbalem Austausch und somit auch über die potenzielle Wirkung von Feedback. Dieses Wissen sensibilisiert und erhöht im Ergebnis die Wahrscheinlichkeit, eine wertstiftende Feedback-Situation zu erleben - für alle Beteiligten. Im Folgenden werden deshalb zwei dieser beliebten Modelle erläutert.

Das Vier-Ohren-Modell 

Ein weiteres theoretisches Konstrukt, welches sich im Umgang mit Feedback zu beachten lohnt ist das Vier-Ohren-Modell oder auch Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun. Hierbei gilt: “Context ist King”. Es kommt also immer darauf an, wie und mit welcher intention der/die Feedbackgebende/r seine Botschaften an den/die Empfänger/in weitergibt und gleichzeitig, wie diese Botschaft aufgenommen wird. Unterschieden wird nach  Sachinhalt, Appell, Beziehungshinweis und Sachkundgabe und es ist empfehlenswert, sich in diesem Kontext mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:

  • Wie höre ich eine Nachricht? 
  • Wie ist die Stimmung der/des potenziellen Empfängers/in und wie stehen wir zueinander?
  • Ist der/die Empfänger/in in der Lage, ein Feedback wohlwollend zu empfangen?

Quelle: https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat

Das Johari Modell

Das Johari-Fenster ist ein psychologisches Werkzeug, das in den 1950er Jahren von Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt wurde. Es wird häufig verwendet, um zwischenmenschliche Beziehungen und das Bewusstsein einer Person über sich selbst und andere zu verstehen. Das Modell ist besonders nützlich in der Feedback-Kommunikation, da es hilft, das Verständnis von Eigen- und Fremdwahrnehmung zu verbessern.

Das Johari-Fenster besteht aus vier Quadranten:

  1. Offener Bereich (Open Area): Dies ist der Teil des Selbst, der sowohl der Person selbst als auch anderen bekannt ist. Durch offene Kommunikation und Feedback kann dieser Bereich vergrößert werden, was zu effektiveren und transparenteren Beziehungen führt.

  1. Blinder Bereich (Blind Spot): Dieser Bereich umfasst Aspekte des Selbst, die anderen bekannt, der Person selbst jedoch unbekannt sind. Durch Feedback von anderen kann diese "blinde" Zone reduziert werden, wodurch ein besseres Selbstverständnis ermöglicht wird.

  1. Verborgener Bereich (Hidden Area): Hierbei handelt es sich um Informationen, Gefühle, Motive und Erfahrungen, die die Person selbst kennt, aber vor anderen verbirgt. Durch Selbstoffenbarung und offene Kommunikation kann dieser Bereich verringert werden.

  1. Unbekannter Bereich (Unknown Area): Dieser Quadrant beinhaltet Informationen, Gefühle, Fähigkeiten und Erfahrungen, die weder der Person selbst noch anderen bekannt sind. Diese können durch gemeinsame Erfahrungen, tiefere Reflexion oder durch Feedback, das zum Nachdenken anregt, enthüllt werden.

In Bezug auf Feedback ist das Johari-Fenster besonders nützlich, sowohl für die jeweilige Sender als auch die Empfänger. Beispielsweise ist Feedback im “offenen Bereich” für Sender weniger heikel und für Empfänger gegebenenfalls weniger “wertvoll”, da es ihnen bereits selber bewusst ist. Hingegen ist Feedback im “verborgenen Bereich” eine riesige Chance für Empfänger, weil so neue Perspektiven aufgezeigt werden können und damit verbunden ein hohes Lernpotential besteht. Bei einem starken Vertrauensverhältnis zwischen Empfängern und Sendern, können sogar im “unbekannten Bereich” neue Erkenntnisse entstehen, etwa. verborgene Talente. Somit erweitert auch dieses Modell die eigene Perspektive auf unterschiedliche Charakteristiken und Fähigkeiten einer Person und bietet gleichzeitig die Chance, gezielt an bestimmten Aspekten zu arbeiten. 

Chancen und Risiken der Feedback-Kommunikation

Beispielsituationen

Beispielsituation 1: Scrum Master und Agile Coach - Wer Feedback erhält sitzt auf dem heißen Stuhl (aus Sicht des YoDi Beraters Michael Cyankiewicz)

Situation: Nach einer Retro hat mir ein Scrum Master Feedback zu meiner Retro bzw. meiner Moderation gegeben. Es war grundsätzlich konstruktive Kritik. Daraufhin schilderte ich ihm meine Perspektive und erklärte ihm, welche Ideen ich im Sinn hatte, die ich offensichtlich aus seiner Perspektive nicht erreicht hatte. Er wurde daraufhin aufbrausend und brüllte mich an. Er betonte, dass ich mich doch “gefälligst nicht rechtfertigen solle”, da er mir doch gerade Feedback gäbe. Als ich ihn im Anschluss daran erneut darauf hinwies, dass ich ihm zum Empfundenen nur Kontext geben wollte, damit er meine Intentionen noch besser verstehen könnte und ich somit das Maximale lernen könnte, wurde er immer ungehaltener. Um die Situation nicht weiter zu eskalieren, beendete ich das Gespräch. 

Interpretation: Aus meiner Sicht fehlte es hier an empathischem und konstruktivem Feedback: Das Mindset und einen vertrauensvollen Raum zu schaffen, um aus den richtigen Motiven gemeinsam zu lernen und Abläufe zu erörtern. Stattdessen ging es stärker um die Manifestation eines Über-/Unterordnungsverhältnisses und das “Abladen” einer persönlichen Wahrheit. Selbstverständlich hatte diese Situation nachhaltig einen negativen Effekt auf die Zusammenarbeit. Dies ist jedoch meine persönliche Perspektive, also nicht die objektive Wahrheit. Die andere Person hatte es ja offensichtlich anders gesehen. 

Fazit

Empathische Feedbackkultur spielt eine zentrale Rolle in Teamkontexten, vor allem im Hinblick auf die berufliche und persönliche Entwicklung von Mitarbeitenden. Feedback, sei es positiv oder konstruktiv kritisch, bildet das Fundament für Wachstum, Innovation und Effizienz in der Arbeitswelt. Die Herausforderungen beim Geben und Empfangen von Feedback sind vielschichtig, jedoch mit dem richtigen Ansatz und unter Berücksichtigung grundlegender Prinzipien überwindbar. 

Die Integration von Feedback als kontinuierlichen Dialog in die Unternehmenskultur, und nicht nur als sporadische Leistungsbeurteilung, ist dabei essenziell, denn es ist mehr als nur eine Methode oder ein Tool. Eine geregelte, empathische Feedbackkultur sollte ein wesentlicher Bestandteil des zwischenmenschlichen Miteinanders und der Organisationsentwicklung sein. 

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Michael Cyankiewicz